Du möchtest ein Vermögen aufbauen? Dann hast du sicher schon gehört, dass man dafür einen langen Atem braucht – oft fallen Sätze wie: „Wer in Aktien investiert, muss einen Zeithorizont von mindestens 10 Jahren haben.“
Dieser Satz ist zwar nicht falsch, greift aber viel zu kurz. Er stellt nämlich die falsche Frage. Ein Zeithorizont von 10 Jahren sagt nichts darüber aus, ob du das Kapital nach dieser Zeit wirklich brauchst. Was passiert, wenn du nach 5 Jahren im Minus bist und das Geld in 5 Jahren brauchst? Mit Verlust verkaufen?
Die Zeit ist also nicht die wichtigste Kennzahl. Entscheidend ist, wie du dein finanzielles Leben in drei Phasen einteilst:
- Vermögensaufbau: In dieser Phase sparst und investierst du regelmässig.
- Kapitalerhalt: Du sparst nicht mehr aktiv, entnimmst aber auch noch kein Geld.
- Vermögensverzehr: Du nutzt dein Vermögen regelmässig für den Konsum, zum Beispiel in der Pensionierung.
Diese Phasen müssen nicht chronologisch ablaufen. Es ist normal, zwischen Aufbau- und Erhaltungsphase zu wechseln, oder auch, nach einer Entnahmephase wieder in den Aufbau überzugehen.
Die wahre Kennzahl: Die Auszahlungsrate
Der Zeithorizont spielt für deine Investitionsentscheidung eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist deine geplante Auszahlungsrate. Diese Rate beschreibt, wie viel Prozent deines Vermögens du in der Verzehrphase jedes Jahr entnehmen musst.
Wenn dein Vermögen 1 Million Franken beträgt und du eine Auszahlungsrate von 10% hast, bedeutet das, dass du jährlich 100’000 Franken aus deinem Vermögen entnimmst.
Faustregel: Wenn deine benötigte Auszahlungsrate in der dritten Phase nicht höher als 5% ist, bist du – was deine Anlagemöglichkeiten angeht – nur sehr wenig durch deinen Zeithorizont eingeschränkt.
Praktisches Beispiel
Stell dir vor, du hast 1 Million Franken geerbt und bist kurz vor der Pensionierung. Du möchtest deine Rente monatlich um 2’000 Franken aufbessern, also 24’000 Franken pro Jahr entnehmen.
Deine Auszahlungsrate liegt bei 2.4% (24’000 geteilt durch 1’000’000). Da dies deutlich unter 5% liegt, kannst du dein gesamtes Vermögen zeitlich gesehen problemlos investieren – obwohl du in nur einem Jahr mit dem Verzehr beginnst.
Wie sieht es aus, wenn die Auszahlungsrate sehr hoch ist, zum Beispiel bei 100%? Das wäre der Fall, wenn du in 10 Jahren dein ganzes Kapital für einen Hauskauf benötigst. In diesem Fall solltest du dein Investment jedes Jahr anpassen. Gemäss der Faustregel, dass man für Aktien mindestens 10 Jahre braucht, müsstest du bereits nach dem ersten Jahr sukzessive in sicherere Anlagen umschichten, um Verluste vor der Auszahlung zu vermeiden. Wie du siehst, wirkt der Faktor Zeit in diesem Fall sehr einschränkend, obwohl du das Geld erst in 10 Jahren benötigst.
Jetzt sollte auch klar sein, warum Vermögen aufbauen und Investieren wenig mit Sparen für Konsum zu tun hat. Wenn du sparst, um dir in 3 Jahren ein neues Auto zu kaufen, dann ist der Faktor Zeit dermassen einschränkend, dass als einzige Anlage nur noch die Option Schweizer Bankkonto übrig bleibt.
Wichtig: Der Faktor Zeit ist nur einer von vielen Variablen, der deine Anlageentscheidungen beeinflussen sollte. In weiteren Posts findest noch genauere Informationen zu weiteren wichtigen Faktoren.
Fazit
Fokusiere dich bei der Frage nach dem Zeithorizont auf deine erwartete Auszahlungsrate. Im Idealfall liegt sie unter 5% und du muss dir bezüglich deines Zeithorizontes wenige Gedanken machen. Wenn die Auszahlungsrate sehr hoch ist – im Extremfall 100% – wird der Zeithorizont bis zum Vermögensverzehr wieder wichtiger und du musst deine Anlagen jedes Jahr neu anpassen, da dein Zeithorizont mit der Zeit immer kürzer wird.
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