Die Übersicht im vorherigen Beitrag hat verdeutlicht, dass an Aktien für den langfristigen und passiven Vermögensaufbau wenig vorbeiführt. Deshalb sollen hier die Risiken von Aktien und wie man diese verringern kann genauer betrachtet werden.
Wenn man bei Aktien über Risiko spricht, meint man damit häufig, wie stark die Preisschwankungen sind. Diese Schwankungen werden mit einer statistischen Kennzahl gemessen, der sogenannten Volatilität.
In diesem Beitrag sollen aber noch zwei weitere Risiken betrachtet werden: zum einen das Risiko eines Totalverlustes und das Risiko, dass die erwarteten Renditen über einen langen Zeitraum nicht erreicht werden.
Das Risiko eines Totalverlustes
Jede Firma kann in Konkurs gehen und damit einen Totalverlust für die Aktionäre bedeuten. In der Vergangenheit sind schon viele berühmte und prestigeträchtige Firmen wie Kodak oder Swissair untergegangen.
Zum Glück ist es sehr einfach, das Risiko eines Totalverlustes durch Diversifikation zu minimieren beziehungsweise auszuschliessen. Wenn man nicht nur eine Aktie kauft, sondern einhundert oder sogar eintausend, dann wird das Risiko eines Totalverlustes extrem klein.
Wenn du beispielsweise einen ETF auf den FTSE All-World – einen Index, der Aktien von Firmen weltweit umfasst – kaufst, dann hast du mit einem einzelnen Investment Anteile an mehr als 3’000 Firmen. Sollte dann eine Handvoll dieser Firmen Konkurs gehen, wirst du das wahrscheinlich nicht einmal merken. Aber mehr dazu später in weiteren Beiträgen.
Das Volatilitätsrisiko
Wie schon erwähnt, haben Aktienpreise sehr starke Schwankungen. Die Volatilität ist eine statistische Kennzahl, die versucht, die Schwankung in einer Zahl darzustellen: Wenn eine Aktie im Durchschnitt über die letzten 20 Jahre 8% Rendite pro Jahr hatte, sagt das noch nichts darüber aus, wie stark sie sich in den letzten 20 Jahren bewegt hat.
Wenn die Aktie über die Zeit keine Schwankungen hatte, sondern nur stetig gestiegen ist und jedes Jahr genau 8% gestiegen ist, dann wäre die Volatilität genau 0%.
Realistischer für Aktien ist aber eine jährliche Volatilität von 30–60%, wobei einzelne Aktien noch eine wesentlich höhere Volatilität aufweisen können.
Hier ein fiktives Beispiel einer Aktie, die über die letzten 5 Jahre im Durchschnitt 8% pro Jahr performt hat mit einer Volatilität von 40%:
- Jahr 1: 100 → 90 CHF (–10%)
- Jahr 2: 90 → 160 CHF (+78%)
- Jahr 3: 160 → 95 CHF (–41%)
- Jahr 4: 95 → 140 CHF (+47%)
- Jahr 5: 140 → 147 CHF (+5%)
Wie du siehst, bedeuten 40% jährliche Volatilität grosse Preisschwankungen! Wichtig: Volatilität ist ein Durchschnittswert – bei 40% Volatilität hat sich die Aktie in einzelnen Jahren mehr, in anderen Jahren weniger stark bewegt.
Durch Diversifikation kann die Volatilität erheblich reduziert werden.
Wenn du jetzt wie im obigen Abschnitt einen ETF mit sehr vielen Aktien kaufst, kannst du die Volatilität erheblich reduzieren. Bei grossen Aktienindizes ist eine Volatilität von ca. 20% pro Jahr realistisch.
Der Grund, warum die Volatilität bei einem Portfolio von Aktien sinkt, ist eigentlich ganz einfach zu verstehen. Aktien von einzelnen Firmen schwanken aus zwei Gründen:
Firmenspezifische Schwankungen entstehen durch Ereignisse, die nur eine Firma betreffen. Erhält eine Pharmaziefirma überraschenderweise keine Zulassung für ein neues Medikament, kann der Aktienpreis dieser Firma stark sinken. Umgekehrt können gute Neuigkeiten – wie zum Beispiel die Neuanstellung eines vielversprechenden neuen CEOs – zu stark steigenden Aktienpreisen führen. Die meisten anderen Aktien sind davon aber nicht betroffen und reagieren dementsprechend nicht im Preis.
Marktspezifische Schwankungen entstehen durch Faktoren, die alle Firmen gleichzeitig betreffen. Beispiele sind eine drohende Rezession oder Zinsänderungen der Nationalbank.
Firmenspezifische Schwankungen können durch Diversifikation verhindert werden, nicht aber marktspezifische Schwankungen.
Wenn du jetzt einen ETF mit sehr vielen Aktien kaufst, dann kannst du – gleich wie beim Risiko eines Totalverlustes – die firmenspezifischen Schwankungen praktisch vollständig eliminieren.
Ein ganz wichtiger Punkt dazu: Normalerweise bedeutet mehr Risiko auch mehr Rendite, weil der Investor für zusätzliche Risiken entschädigt werden muss. Firmenspezifische Schwankungen sind aber ein Spezialfall: Investoren werden für diese nicht mit mehr Rendite entschädigt. Warum ist das so? Der Grund ist, dass Diversifikation gratis zu haben ist – es kostet dich gleich viel, einen ETF mit 3’000 Aktien oder eine einzelne Aktie zu kaufen. Diese Erkenntnis stammt aus einer berühmt gewordenen wissenschaftlichen Arbeit von Harry Markowitz im Jahr 1952, für die er später den Nobelpreis erhalten hat.
Das Risiko der erwarteten Rendite
In diesem Blog werde ich häufig über erwartete Renditen von Aktien sprechen. Meine persönliche Erwartung an mein Aktienportfolio sind 7% inflationsbereinigte Rendite pro Jahr über die sehr lange Frist.
Egal, ob deine Erwartungen jetzt etwas höher oder tiefer sind – es besteht ein sehr realistisches Risiko, dass diese nicht eintreffen werden.
Wenn man einen Blick in die Vergangenheit wirft, dann sind inflationsbereinigte Renditen von 6–8% pro Jahr für Aktien nichts Ungewöhnliches. Es gab aber auch langanhaltende Phasen, in denen Aktien nicht gut rentiert haben.
Beispiele für solche Perioden sind die Grosse Depression in den USA (1929–1941), die Stagflation in den 1970er Jahren, der Dotcom-Crash (2000–2002) oder die Finanzkrise (2008–2009).
Es dauerte jeweils unterschiedlich lange, bis sich der Aktienmarkt wieder erholt hatte. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass man 10 Jahre lang in Aktien investiert ist, ohne eine positive Rendite zu erzielen.
In der Vergangenheit wurde dieses Risiko mit steigendem Anlagehorizont immer kleiner. Wenn man 20 Jahre oder länger in ein globales, gut diversifiziertes Aktienportfolio investiert war, hatte man immer eine positive Rendite.
Ich erwarte, dass es sich in der Zukunft ähnlich entwickeln wird. Eine Garantie gibt es dafür aber nicht. Niemand kennt die Zukunft und weiss, was für Krisen und Kriege uns noch bevorstehen.
Das Wichtigste ist, dass du sehr lange in Aktien investiert sein kannst und eine Situation vermeidest, in der du dein Aktienportfolio während einer Krise liquidieren musst. Einen langen Atem zu haben ist sicherlich der beste Schutz vor einer schlechteren Rendite als erwartet.
Fazit
Es gibt verschiedene Risiken bei Aktien. Das Risiko eines Totalverlustes kannst du praktisch ausschliessen mit guter Diversifikation.
Das Risiko von Preisschwankungen kannst du mit guter Diversifikation erheblich reduzieren, ohne dabei auf Rendite verzichten zu müssen.
Das Risiko, dass du deine erwartete Rendite nicht erreichst oder die Rendite über eine längere Zeit sogar negativ ist, kannst du nicht ausschliessen. Einen langen Zeithorizont zu haben scheint aber die beste Versicherung dagegen zu sein.
Es ist sehr wichtig, dass du diese Risiken verstehst und lernst, damit umzugehen. Wenn du Aktien kaufst, wirst du früher oder später grosse Schwankungen und Krisen erleben. Nur wenn du dir dieser Risiken wirklich bewusst bist und die Überzeugung hast, dass du über die lange Frist dennoch die richtige Entscheidung getroffen hast, wirst du diese Phasen erfolgreich durchstehen können
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